Das Experiment von Fisher

Web-Test: nicht öffentlich
Das Experiment von Fisher

Fisher publizierte 1954 ein sehr interessantes und folgenreiches Experiment:

Er gab die posthypnotische Suggestion, daß die Versuchspersonen (Vps) sich nach Ende der Hypnose jedesmal auf das englische Schlüsselwort “psychology” hin ans Ohrläppchen fassen sollten.

Das Experiment selbst hatte drei Phasen:

In Phase 1 unterhielt Fisher sich in einer Runde sowohl mit den Vps wie mit seinen Assistenten. Wenn Fisher im Gespräch das Wort “psychology” fallen ließ, reagierten die Probanden, indem sie sich wie “befohlen” ans Ohrläppchen faßten. Auch wenn die Assistenten das Codewort benutzten, reagierten die meisten Vps auf diese Weise.

In Phase 2 des Experiments änderte Fisher seine verbalen Mitteilungen und vermittelte den Eindruck, daß das Experiment vorüber sei. Beispielsweise sprach er über die posthypnotische Suggestion und die Reaktionen darauf wie über eine erledigte Sache, fragte in Vergangenheitsform, wie es denn für die Probanden gewesen sei, als sie auf die PHS reagiert hatten usw. Daraufhin hörten fast alle Vps auf, sich a das Wort “psychology” hin ans Ohrläppchen zu fassen.

In Phase 3 wurde hingegen wiederum der Eindruck vermittelt, daß das Experiment noch am Laufen sei. So sagte der Hypnotiseur etwa, daß er gleich noch einmal eine Hypnose durchführen und die posthypnotische Suggestion aufheben werde, da die Probanden sich ja kaum jedesmal ans Ohr fassen wollten, wenn sie später zufällig das Wort “psychology” hörten. Die allermeisten  Vps, die in Phase 1 posthypnotisch reagiert, aber während Phase 2 ihre Reaktion eingestellt hatten, reagierten nun erneut auf den Trigger “psychology”. Nur drei Subjekte hatten während aller Phasen durchgehend auf den Auslöser geantwortet.

In Fishers Experiment hing die posthypnotische Reaktion – jedenfalls bei den meisten Subjekten - also davon ab, ob ihnen vermittelt wurde, daß ein solches Reagieren angemessen wäre oder nicht. Die Subjekte reagierten also auf die “Anforderungen der  Situation”. Es sieht ganz so aus, daß sie nicht automatisch antworteten, sondern motiviert und kontextbezogen, um den Wünschen des Hypnotiseurs gerecht zu werden.

Demnach wäre die Reaktion auf die PHS womöglich keineswegs zwangsläufiger und automatischer Natur, sondern würde zumindest auf unterbewußtem Level Gewahrsein, Aufmerksamkeit, intelligente Reflexion sowie Motivation und Entscheidung voraussetzen; das Reagieren auf die PHS  würde demnach in Wahrheit also ein zielgerichtetes Handeln darstellen.

Wenn die Reaktion auf die PHS dennoch teilweise “automatisch” erscheint, dann  womöglich deshalb, weil das Subjekt erwartet, daß es so im Sinne der Hypnose zu reagieren hat.

Obwohl Fishers Experiment dafür spricht, daß der Reaktion auf die PHS in der Tat ein willentliches Verhalten zugrundeliegt, ist es doch kein eindeutiger Beweis. Wenigstens drei Subjekte reagierten über das ganze Experiment hinweg posthypnotisch, in allen Phasen. Zudem wurde spekuliert, daß Fisher seine Probanden zum Zeitpunkt des Aussprechens der PHS unwillentlich und unbewußt beeinflußt haben könnte, nur dann auf die PHS zu reagieren, wenn dies jeweils so gefordert wäre.

Zwischenbemerkung: Hypnotisches Verhalten ist (auch) “rollenabhängig”

Es stellt sich also die Frage, ob Hypnotisierte aufgrund ihreres Verständnisses der Situation  und ihrer Motivation auf die PHS reagieren. Fishers Experiment legt das nahe. In diesem Fall wäre posthypnotisches Verhalten nicht automatisch, auch wenn es diesen Eindruck macht, sondern höchstens “pseudo-automatisch”, wie man es nennen könnte. Die andere Möglichkeit bliebe natürlich, daß die posthypnotische Reaktion tatsächlich automatischer Natur ist, also unabhängig von den Einstellungen und dem Willen des Subjekts abläuft.

Wie aber nun herausfinden, wie es sich tatsächlich verhält? Die Teilnehmer einfach zu befragen hat wenig Sinn, eben weil sie oftmals unterbewußt reagieren; es bedarf daher weiterer, sorgfältiger Experimente.

Bevor wir im Text weitermachen ist eine kurze Zwischenbemerkung notwendig: Hypnotisierte reagieren sehr  oft genau so, wie sie glauben, daß ein (gutes) hypnotisches Subjekt reagiert.

Zu Mesmers Zeiten erlitten die Patienten “Krisen”, bei denen sie Krämpfe hatten und erbrachen. Bei Charcot zeigten sie die seltsamsten Verhaltensweisen, so, wie Charcot das erwartete. Bei einem Versuch von Young und Cooper entwickelten 75% derjenigen eine spontane posthypnotische Amnesie, die glaubten, daß sie eine solche erleben würden; von denen, die keine erwarteten, hatte auch niemand eine.

Der Hypnoseforscher Martin Orne erklärte einer Gruppe von Vps, daß während einer Hypnose eine spontane Katalepsie der nicht-dominanten Hand auftrete. Das ist zwar eigentlich falsch, drei Viertel der Probanden erlebten das Gesagte aber dennoch. Sehr häufig verhalten sich Hypnotisierte genau so wie sie glauben, daß es typisch für Hypnose sei. Die meisten “schauspielern” dabei nicht; vielmehr handelt es sich um einen unwillkürlich ablaufenden Prozeß. Das erwartete Phänomen tritt dann also tatsächlich oftmals ein - aber nicht wegen der Hypnose an sich, sondern aufgrund der Überzeugung des Subjekts, daß es dies oder jenes erleben oder tun wird, und aufgrund seiner Motivation, es tatsächlich und zu tun. Allgemein werden die relevanten Erwartungen, Einstellungen und Überzeugungen des Subjekts, die nicht zur Hypnose selbst gehören, manchmal auch als “hypnotische Rolle” bezeichnet. (Dies bedeutet wie gesagt nicht, daß das Subjekt nur so “tut als ob”.)

Was aber gehört zum Wesen der Hypnose, was ist Artefakt der Erwartung?

Zum Zweck der Klärung solcher Fragen –  sei es im Fall der PHS oder anderswo -, bedient sich die Hypnoseforschung eines Tricks: Sie bittet Personen, die trotz verschiedener Hypnotiseure und verschiedener Techniken kaum hypnotisiert werden konnten, Hypnose “schauzuspielern”. Sie sollen dabei einen Hypnotiseur “reinlegen”, der nicht weiß, wer echt ist und wer nicht. Wenn jetzt hypnotische Subjekte und “Simulanten”, wie sie genannt werden, sich genau gleich verhalten, so ist erst einmal anzunehmen, daß das entsprechende Verhalten durch die Vorstellungen der Teilnehmer über Hypnose oder indirekte Beeinflussungen durch den Experimentator bedingt ist, und nicht durch besondere Eigenschaften der Hypnose selbst verursacht wird.

Das Experiment von Orne, Sheehan und Evans

Um die Frage zu klären, was nun die akkurate Theorie des posthypnotischen Verhaltens ist, führten Orne, Sheehan und Evans ein Experiment durch, das sie 1968 publizierten. Die Ausgangs-Überlegung war die: Wenn Hypnotisierte nur auf die PHS reagieren, um den Ansprüchen von Hypnotiseur und Experiment Genüge zu tun, dann werden sie auch nur innerhalb des experimentellen Settings reagieren, nicht aber außerhalb. Alles andere würde keinen Sinn machen. Wenn die posthypnotische Reaktion hingegen automatisch und somit auch “sinnfrei” abläuft, wird das Subjekt auch außerhalb des Experimentes weiterhin auf den Trigger antworten. Aussagekräftige Tests müssen also so aussehen, als wären sie gar keine Tests, als hätten sie mit dem Hypnose-Experiment nichts zu tun, sondern als wären sie nur Zufall. Wie aber kann man sicher sein, daß das Subjekt nicht vielleicht doch etwas geahnt und nur deshalb reagiert hat?

Hier kommen nun die Simulanten ins Spiel. Diese sind sehr sensibel für versteckte Tests und eventuelle Manipulationen des Experimentators, was wohl damit zu tun hat, daß sie selbst ebenfalls die Aufgabe haben, andere zu täuschen. Wenn nun die Simulanten einen Test nicht als Test durchschauen, kann mit erheblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß die Hypnotisierten ihn auch nicht bemerken. Wenn die hypnotischen Subjekte dann im Gegensatz zu den Simulanten dennoch auf einen solchen versteckten Test reagieren sollten, dann täten sie das nicht, weil sie ihn (unterbewußt) als Teil des Experimentes erkennen und mit Absicht reagieren würden, sondern sehr wahrscheinlich deshalb, weil die PHS tatsächlich automatisch wirken würde.

Im Versuch von Orne et al. wurden daher zum einen Probanden eingesetzt, die selbst vor weiterem Training eine sehr hohe hypnotische Suggestibilität aufwiesen, und andererseits “Simulanten”.

Den Probanden wurde suggeriert, daß sie sich jedesmal völlig unwillkürlich mit der rechten Hand an die Stirn fassen werden, wann immer sie während der nächsten 48 Stunden das englische Wort “experiment” hörten.  Nach dem “Aufwachen” wurde sichergestellt, daß Amnesie bestand.

Insgesamt wurde eine ganze Reihe von formellen und offensichtlichen sowie informellen und subtilen Tests gemacht. Diese wurden teilweise durch den Hypnotiseur und teilweise durch seine Sekretärin durchgeführt. Der “versteckteste” war wohl dieser: Am zweiten Tag sagte die Sekretärin zu den Teilnehmern bei der Begrüßung: “Sind Sie für Dr. Sheehans Experiment[!] hier?”

Einige hypnotische Subjekte reagierten tatsächlich.

Dieser Test war

- informell und in einer Frage versteckt

- unauffällig, denn das Wort “experiment” ist in einem solchen Kontext weder auffällig noch verdächtig.

- fand einen Tag nach dem Aussprechen der hypnotischen Suggestion statt,

- wurde nicht durch den Hypnotiseur, sondern eine dritte Person durchgeführt,

- und fand außerhalb des eigentlichen experimentellen Settings statt, indem er außerhalb des Labors und durch jemanden durchgeführt wurde, der nicht direkt in das Experiment involviert war.

Daß einige “gute” hypnotische Subjekte dennoch reagierten, ist also umso erstaunlicher.

Das Gesamt-Ergebnis des Experiments war, daß einige “tief Hypnotisierte” auch solche informelle Tests “bestanden”, die von allen Simulanten verfehlt wurden.

Die Simulanten hatten nicht reagiert, offenbar, weil sie die informellen Tests nicht als solche registrierten. Daraus schloßen Orne et al., daß auch die hypnotisierten Subjekte die Tests nicht durchschaut hatten und aufgrund eines posthypnotischen Automatismus reagiert hatten. Orne et al. schlossen, daß wenigstens für einige besonders tief hypnotisierte Subjekte die PHS tatsächlich automatisch wirke: “Als Folgerung erscheint es, daß Subjekte nicht nur dann reagieren, wenn sie glauben, daß sie sollten.”

So überzeugend dies klingt, so bleibt bei genauerem Hinsehen dennoch ein entscheidender Einwand: Die Simulanten waren angewiesen worden, den Hypnotiseur zu täuschen, nicht jedoch Dritte, die vielleicht ebenfalls mit dem Experiment zu tun haben.

Es kann also sein, daß Simulanten ebenfalls auf die Tests durch die Sekretärin reagiert hätten, wenn sie eine andere Anweisung bekommen hätten. Somit wäre der Beweis kein Beweis.

Das Experiment von Spanos, Menary, Brett, Cross und Ahmed

Inzwischen (1978) hatte St. Jean ein Experiment veröffentlicht, das zeigte, daß die allermeisten Subjekte nicht mehr posthypnotisch reagierten, wenn der Hypnotiseur aufgrund eines vorgetäuschten “Notfalls” den Raum verließ.

Um jedoch endgültige Klarheit zu schaffen, führten Spanos, Menary, Brett Cross und Ahmed einen Versuch durch, der das Experiment von Orne et al. erweitern sollte und 1987 publiziert wurde. Diesmal sollten Tests noch weiter weg von der erkennbaren experimentellen Situation durchgeführt werden und die Simulanten besser instruiert sein.

Der wichtigste Teil des Versuchs sieht so aus: Es wurden einerseits besonders “hochsuggestible” Probanden und andererseits “Simulanten” verwendet. Die Simulanten wurden instruiert, alle potentiell am Experiment Beteiligten zu täuschen und so zu tun, als seien sie tief hypnotisiert. Beiden Gruppen wurde die Suggestion gegeben, jedesmal beim Wort “psychology” zu husten. Dies solle so lange gehen, bis eine Woche später in der nächsten Sitzung die Suggestion gecancelt würde. Dann wurde Amnesie suggeriert. Bei den formellen Tests reagierten praktisch alle Personen tatsächlich mit Husten.  (Ein formeller Test war etwa die Frage “Haben Sie im Hauptfach Psychologie?” Die Probanden waren Studenten.)

Ein paar Tage später wurden durch scheinbar unbeteiligte Personen kurz vor der Sitzung zwei informelle Test durchgeführt, bei denen das Wort “psychology” ausgesprochen wurde. Dies geschah in dem einem Fall  beispielsweise dadurch, daß ein Student fragte, wo sich denn die Psychologie-Fakultät befinde.

Niemand reagierte bei diesen versteckten Tests posthypnotisch durch Husten, außer beim zweiten Test ein Mitglied der Kontrollgruppe.

Bei einem nachfolgenden informellen Test mit dem Hypnotiseur (wo dieser mit den VPs zum Experimental-Raum ging und sich nebenbei für die Teilnahme am Psychologie-Experiment[!] bedankte), reagierte jeweils ca. die Hälfte der Hypnotisierten wie der Simulanten im Sinne der PHS. Es folgten zwei  formelle Tests mit dem Hypnotiseur, bei denen das Code-Wort deutlich präsentiert wurde. Bei diesen Tests reagierten praktisch alle Mitglieder, sowohl Hypnotisierte wie Simulanten.

Dieses Experiment zeigt eindeutig, daß die Reaktion auf die PHS keineswegs automatisch durch die Präsentation des kritischen Stimulus ausgelöst wird; vielmehr muß das Subjekt erkennen, daß eine hypnotische Reaktion von ihm in der konkreten Situation erwartet wird und muß bereit sein, in diesem Sinne zu reagieren. Es reagiert dementsprechend auch nur innerhalb des angemessenen Settings, jedoch nicht außerhalb auf die PHS. (Auf Ausnahmen werden wir noch weiter unten eingehen.) Nicht der Trigger, sondern die Situation in ihrer Interpretation durch den Hypnotisanden löst die Reaktion auf die PHS aus, und das Reagieren beruht auf einer Absicht und stellt intelligentes und zielgerichtetes Verhalten dar. In der Tat ist die ist die PHS also nicht automatischer, sondern nur “pseudo-automatischer” Natur.

Der Einwand, daß die Probanden von Spanos et al. nicht “tief genug” hypnotisiert waren, kann hier nicht gelten. Alle Subjekte hatten sehr hohe Werte auf der Suggestibilitätsskalen und reagierten gut auf posthypnotische Suggestionn. Spanos et al. betonen zurecht, daß diese Subjekte als sehr gut im Sinne hypnotischer Fähigkeit zu gelten haben.

Die Experimente von Barnier und McConkey

Ende der Neunziger und Anfang der Nuller Jahre führe die Australierin Amanda Barnier für ihre Dissertation eine Reihe von Experimenten mit ihrem Doktor-Vater Kevin McConkey durch.

Diese Versuche sind gut konzipiert und besitzen ein sorgfältig konstruiertes Design: Oft beinhalten sie Simulanten als Kontrollgruppe, messen die jeweilige Reaktionszeit und bestimmten den Grad des subjektiv wahrgenommenen Zwanges (“degree of compulsion”) der Teilnehmer.

Einige der wichtigsten dieser Experimente untersuchen, wie die Ausführung der PHS sowohl von den genauen Informationen abhängt, die der Hypnotiseur zum Zeitpunkt ihrer “Gabe” vermittelt, wie auch später dann vom Kontext, in dem sie getestete werden.

Beispielsweise wurde in einem Versuch Probanden suggeriert, jedesmal laut zu husten, wenn sie das Wort “experiment” hören. (Der Reichtum an Variationen scheint sich bei Hypnoseforschern in übersichtlichen Grenzen zu bewegen.)

Gruppe 1 wurde zusätzlich suggeriert, daß sie damit so lange fortfahren solle, bis die Suggestion gecancelt wird; es wurde also eine explizite zeitliche Begrenzung suggeriert. Gruppe 2 hingegen wurde keine zeitliche Limitation der Reaktion oder sonst etwas Zusätzliches suggeriert.

Vier Tests folgten nach Beendigung der Hypnose, die zunehmend indirekter wurden. Beim Test Nummer drei etwa wurde der Proband gefragt, was er gerade gedacht habe, als gerade das Wort “experiment”[!] ausgesprochen wurde.

Beim ersten Test reagierten beide Gruppen gleich gut. Danach aber fielen die Mitglieder der Gruppe 2 (die Gruppe ohne zeitliche Begrenzung) deutlich ab. Sie reagierten von Test zu Test immer weniger. Die Probanden aus Gruppe 1 (die mit der zeitlichen Limitation) hingegen reagierten mehrheitlich auch auf die anderen Tests, und zwar relativ konstant.

Ganz offensichtlich hatten die Mitglieder der Gruppe 1 damit gerechnet, daß noch weitere Test außer dem ersten folgen würden; die Probanden der Gruppe 2 hingegen hielten es offensichtlich für weniger wahrscheinlich, daß weitere Tests kommen würden, und schätzten die Präsentationen des kritischen Stimulus daher immer weniger als “Tests” ein, mit zunehmender Ambiguität weniger. Es liegen hier offensichtlich rationale Denkleistungen vor, durch die das Subjekt die aktuelle Situation vor dem Hintergrund der ursprünglichen  Suggestion zu interpretieren versucht. Es zeigt sich auch hier wieder einmal der aufmerksamkeits- intelligenz- und motivationsbeanspruchende Charakter der postyhpnotischen Reaktion, die wenig mit sinnfreiem Automatismus zu tun hat.

Barnier und McConkey bemerken zu den Ergebnissen ihres Experimentes:

“Frühere Untersuchungen, die zeigten, daß einige Individuen eine unvollständig ausgeführte posthypnotische Suggestion während eines späteren Tests vervollständigen [...], oder daß die Wirkungen einer nicht zurückgenommenen Suggestion fortbestehen können [...], oder daß das Reagieren außerhalb des experimentellen Settings fortgesetzt werden kann [...], können am besten im Hinblick auf die Information verstanden werden, die der Hypnotiseur den Teilnehmern über die Art und Dauer ihres Reagierens auf irgendeine Weise vermittelt hat.”

“Wie in jeder sozialen Interaktion müssen die Teilnehmer die Information, die ihre Reaktionen auslösen soll, erkennen und interpretieren; dann müssen sie entscheiden, ob sie reagieren.”

“Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, daß die Antwort auf eine posthypnotische Suggestion davon abhängt, wie die Teilnehmer die Informationen verarbeiten, die sowohl in der Suggestion, als auch in den Tests enthalten sind, und sie tun dies im Gesamtkontext des Bemühens, die Kommunikation des Hypnotiseurs zu verstehen und sich einen Reim auf das hypnotischen Setting zu machen.”

“Dies widerlegt den Mythos, daß, wenn eine posthypnotische Suggestion nicht aufgehoben wird, sie dann die Zeit und das Setting überdauert, wo sie gegeben wurde. Hypnotisierte Individuen reagieren nur so lange wie sie denken, daß es angebracht ist. In anderen Worten, sie reagieren nicht automatisch mit Bewußtsein gegenüber allem, was der Hypnotiseur sagt, sondern sie unternehmen eine wirkliche Anstrengung, die manchmal verwirrende Botschaft des Hypnotiseurs zu interpretieren und in der angemessenen Weise zu reagieren.”

“Insgesamt hebt unsere Forschung die aktive Beteiligung der hypnotisierten Individuen hervor.”

Das Experiment von Tobis und Kihlstrom

Der wesentliche Teil dieses recht jungen und sehr aufschlußreichen Versuchs geht so:

Zuerst wurden Probanden ausgesucht, die ganz besonders gut auf Hypnose reagieren und leicht zu hypnotisieren sind. (Die Probanden mußten nicht nur 11 oder 12 von 12 Punkten auf der HGSHS:A, sondern auch auf der SHSS:C erreichen, was nur zwischen 5 und 7 Prozent der Bevölkerung gelingt.

Den Subjekten wurde dann ein Test am Computer gezeigt, bei dem immer verschiedene Ziffern auf dem Bildschirm auftauchten. Es wurde mit ihnen eingeübt, immer schnell beim Erscheinen einer Ziffer die darunter befindliche Taste zu drücken, je nach Erscheinen der Ziffer links, mittig oder rechts.

Sodann wurden die Probanden hypnotisiert und per PHS instruiert, daß sie nun bei einem später erfolgenden Test jedesmal bei einer festgelegten Ziffer die zugehörige Taste schnell drücken sollen. Anschließend wurde Amnesie für diese Suggestion suggeriert, die auch von allen Subjekten erlebt wurde.

Hieraufhin wurde den Probanden im Wachzustand und ohne weitere Erklärung eine neue Instruktion gegeben: Und zwar sollten sie nun bei einer anderen Ziffer jeweils die darunter befindliche Taste drücken. (Hierbei handelte es sich nicht um eine “Wachsuggestion”, sondern nur um eine normalen verbale Anweisung.)

Der Test wurde durchgeführt, und das Resultat des Versuchs war, daß beide Aufträge –  die PHS und die Wach-Instruktion - gleichermaßen effektiv waren. Wenn beide Ziffern zugleich auf dem Monitor auftauchten, so befolgte die Hälfte der Probanden die PHS und die andere Hälfte  die Wach-Instruktion. (Die Ergebnisse der Tests, bei denen dann jeweils nur eine der beiden kritischen Ziffern präsentiert wurden, machen außerdem deutlich, daß Wach-Instruktion und hypnotische Suggestion sich gegenseitig generell in der Wirkung beeinträchtigten, also “interferieren”.)

Tobis und Kihlstrom schreiben:

“Wenn eine PHS in einen direkten Konflikt mit einer nicht-hypnotischen Instruktion der gleichen Art gesetzt wird, ist es keine Überraschung, daß die beiden interferieren – auch wenn es interessant zu beobachten ist, daß die posthypnotische Suggestion in keiner Weise das Verhalten dominierte.”

Sehr interessant sind auch Beobachtungen, die auf einen inneren Konflikt bei den Teilnehmern hindeuten: Obwohl auf bewußter Ebene Amnesie für die PHS herrschte, zeigte sich eine Verunsicherung der Probanden, die offenbar von der Widersprüchlichkeit der empfangenen Anweisungen herrührte. Fast alle Probanden gaben im postexperimentellen Interview zu einem Zeitpunkt, da die Amnesie noch nicht aufgehoben war, an, daß sie sich nicht sicher waren, ob sie den Test korrekt durchführten.
Und:
“Viele Subjekte zeigten non-verbale Anzeichen von allgemeiner Unruhe ["agitation"] während des Tests, einschließlich des Verschiebens des Stuhles, Seufzen und entsprechende Gesichtsausdrücke.”

Die Subjekte reagierten bei diesem Versuch offensichtlich keineswegs automatisch oder gar zwanghaft auf eine PHS, wie die Tatsache zeigt, daß viele von ihnen die Befolgung der Wach-Instruktion vorzogen. Das Experiment zeigt, wie die Subjekte offenbar zu erkennen versuchten, was denn nun eigentlich von ihnen verlangt wurde, um dementsprechend zu reagieren. Da sie sich jedoch nicht sicher waren, zeigten sie Anzeichen von Unruhe und gaben zu Protokoll, daß sie im Zweifel, was denn nun wirklich von ihnen verlangt war. Aufgrund der Amnesie kann geschlossen werden, daß intelligente und zielgerichtete Überlegungen dieser Art auf unterbewußtem Level stattgefunden haben müssen, “dissoziiert” vom expliziten bewußten Gewahrsein; nichtsdestotrotz haben sie offensichtlich stattgefunden und das Handeln der Probanden beeinflußt, und zwar in einer Weise, wie auch Reflexionen auf bewußter Ebene dies geleistet hätten.

Diese Resultate, die definitiv nicht mit zu geringer “Hypnose-Tiefe” der Probanden erklärt werden können, mögen im ersten Moment Zweifel an der Effektivität der Suggestivtherapie wecken und können vielleicht auch etwas ernüchternd wirken; warum solche Schlüsse jedoch verfehlt wären, werde ich – aus meiner Perspektive – weiter unten begründen.

Einige informelle Beobachtungen

An dieser Stelle möchte ich gerne noch einige informelle Beobachtungen, die ich selbst gemacht habe, kurz erwähnen, auch wenn es sich um Einzelbeobachtungen und nicht um systematische wissenschaftliche Versuche handelt.

Einer bestimmten Versuchsperson suggerierte ich, daß sie jedesmal nach Beendigung eines Satzes ein neutrales Wort ans Satzende anhängen solle. Dieser Proband, übrigens ein sehr gutes Subjekt, reagierte wie gewünscht. Er reagierte, bemerkte es aber erst überhaupt nicht, und als ich ihm suggerierte, daß er sein Verhalten wahrnehmen würde, empfand er seine Reaktion als zwanghaft. Nachdem ich die Suggestion formell aufgehoben hatte und die Wirkung nicht mehr bestand, sprach  ich das kritische Wort, das er jedem Satz hinzugefügt hatte, mehrfach erwartungsvoll vor; ich wiederholte dazu jeweils seine letzte verbale Äußerung, hängte das Wort an und  sah ihn auffordernd an. Sehr schnell konnte auf diese Weise der posthypnotische Auslöser wieder hergestellt werden, und mein Proband reagierte wie zuvor und empfand sein Verhalten wieder als nicht willentlich kontrollierbar. Im Unterschied zu Fishers Experiment wurde die PHS nicht nur indirekt und implizit, sondern explizit und formell gecancelt; sie ließ sich aber ebenfalls durch indirektes Vorgehen reaktivieren. Falls entsprechende systematische Experimente dieses Resultat replizieren könnten, wäre dies ein weiter Hinweis dafür, wie sehr posthypnotisches Verhalten von den Anforderungen der posthypnotischen Situation abhängt.

Während eines anderen Experimentes hatte ich einem Subjekt die PHS gegeben, auf ein Codewort hin einen Hut auf meinem Kopf zu halluzinieren. Anschließend suggerierte ich erfolgreich Amnesie für diese Suggestion. Vor dem eigentlichen Test fragte ich meinen Probanden spontan, ob ich einen Hut auf dem Kopf habe. Ich erwartete die Antwort “nein”, denn ich hatte ja noch nicht den Trigger ausgesprochen. Zu meiner Überraschung sah mein Proband für einige Moment auf mein Haupt und bejahte dann, und auf Nachfrage hin beschrieb er den Hut. Offenbar hat der Proband – auf unterbewußter Ebene - meine Frage fehlinterpretiert, nämlich als indirekte Aufforderung, die PHS ohne Präsentation des Triggers auszuführen und die vorgegebene Halluzination zu erzeugen. Er war offensichtlich zur Reaktion bereit und wartete auf den Auslöser; als ich jedoch die besagte Frage stellte, verstand er dies offenbar so, daß mein Plan sich geändert hatte und er nun sofort den Hut halluzinieren sollt.

Ließe sich diese Beobachtung experimentell bestätigen, so würde sie zeigen, daß für die Reaktion auf eine PHS die Präsentation des festgelegten kritischen Stimulus nicht nur nicht hinreichend, sondern noch nicht einmal notwendig ist.

Die erwähnte Beobachtung paßt gut zu der Sichtweise, daß das Subjekt nicht auf den vorgegebenen posthypnotischen Auslöser an sich reagiert, sondern auf die Situation selbst, so wie sie diese interpretiert. Dies kann beinhalten, daß es die PHS tatsächlich in dem Moment ausführt, in dem der Trigger präsentiert wird; und dies ist gewöhnlich auch der Fall. Es muß jedoch nicht so sein, denn es besteht keine Zwangsläufigkeit.

Sind postyhpnotische Suggestionen “effizient”?

Gemeint ist damit die Frage, ob die Ausführung der PHS so vonstatten geht, daß keine Aufmerksamkeit für andere Tätigkeiten abgezogen wird. (Wir erinnern uns, daß diese Eigenschaft traditionell als Merkmal für “Automatizität” im Sinne der kognitiven Psychologie galt.)

Die Antwort ist nicht eindeutig. Es scheint aber so zu sein, daß die posthypnotisch induzierte “unterbewußte” Ausführung schwieriger Aufgaben – wie beispielsweise im Fall von Rechenoperationen - mindestens so viele Ressourcen beansprucht wie eine normale Ausführung derselben Tätigkeit. Es existieren jedoch Hinweise, daß kognitiv einfache Aufgaben, wie das Erzeugen von hypnotisch suggerierter Analgesie/Anästhesie, wenige Kapazitäten der Aufmerksamkeit verbrauchen; weniger etwa als das Erreichen desselben Effektes durch Anwendung kognitiver Strategien (Miller & Bowers).

Übrigens deuten Experimente darauf hin, daß der wahrgenommene Grad von Anstrengung und der tatsächliche kognitive Aufwand bei der Ausführung einer Suggestion durchaus von einander unabhängig sein können.

Beinhaltet die PHS einen besonderen Zwang?

Auf den ersten Blick muß es so scheinen, daß sie Antwort “ja” lautet. Hypnotische Subjekte können die PHS als starken Zwang erleben. Nun haben wir jedoch gesehen, daß im Rahmen von Hypnose und Posthypnose eine ausgeprägte Dissoziation zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein entstehen kann. Dabei bezeichnet der Ausdruck “Unterbewußtsein” im relevanten Sinne weder einen geistlosen Computer noch eine eigenständige Quasi-Person; gemeint ist vielmehr die hypnotisierte Person selbst, die auf unterbewußter Ebene agiert. Es kann durchaus sein, daß eine Person ihr eigenes Verhalten als zwanghaft und unfreiwillig erlebt, aber dennoch auf einer übergeordneten Ebene motiviert ist, sich als gutes hypnotisches Subjekt zu verhalten.

Diese Motivation wiederum kann das Ergebnis von echtem Willen, aber auch sozialem Druck sein. Es existieren beispielsweise Experimente, nach denen sowohl Hypnotisierte wie Wache gleichermaßen anti-sozialen Anforderungen Folge leisteten; jedoch machen einige der Hypnotisierten die Hypnose für ihren Gehorsam verantwortlich, was offenbar eine Rationalisierung darstellt. (Das Thema kann hier nicht weiter vertieft werden. Bei näherem Interesse darf  ich auf meinen verständlich gehaltenen Artikel zum Thema Hypnose-Verbrechen verweisen (s.u.), und auf die dort angegebene Fachliteratur; in diesem Fall insbesondere auf  Lynn & Sivec sowie Calverley & Barber.)

Um die Frage nach dem hypnotischen Zwang angemessen zu beantworten, reicht es also nicht aus, alleine auf das bewußte Empfinden des Subjekts zu achten. Vielmehr ist der Mensch als ganzheitliche Person zu betrachten. Es ist notwendig, zwischen dem subjektiven Gefühl des Zwanges, das auftreten kann, und dem “objektiven” Zwang und Kontrollverlust zu unterscheiden.

Die hier vorgestellten Experimente sprechen nun deutlich gegen die Existenz eines objektiven posthypnotischen Zwanges. So zeigt etwa das Experiment von Spanos et al., daß die Reaktion auf die PHS Motivation voraussetzt, und daß ein posthypnotischer Auftrag außerhalb des angemessenen Settings trotz expliziter anderslautender Anweisung nicht befolgt wird, wenn es keinerlei Sinn macht.

Weiteren Aufschluß geben mehrere Experimente, die nach demselben Schema von verschiedenen Forschern durchgeführt wurden (Orne; Damaser; Hoyt; Barnier & McConkey): Probanden wurde ein Stapel von Postkarten nach Hause mitgegeben und sie wurden beauftragt, dem Experimentator jeden Tag eine zu Karte senden. Im einen Fall wurde diese Anweisung in Form einer normalen Bitte ausgesprochen, im anderen Fall wurde “hochsuggestiblen” Subjekten während der Hypnose eine entsprechende PHS gegeben. Das Ergebnis sah immer gleich aus: Die Wach-Instruktionen waren mindestens so effektiv, wenn nicht sogar effektiver, als die posthypnotischen Aufträge. Interessante Details gehen insbesondere aus dem Experiment von Barnier und McConkey hervor, wobei einige Einzelheiten in einem kleinen Referat Amanda Barniers für das Radio näher als im thematischen Fachartikel beschrieben sind.

Sie sagt:

“Ein anderes Beispiel: In meinen Studien mit Postkarten kam ich zum Ergebnis, daß die Leute, die sehr erfolgreich in dieser Aufgabe waren, mit erhöhter Wahrscheinlichkeit ihren Freunden und ihrer Familie über die Aufgabe erzählt hatten. Sie erhielten eine Menge Unterstützung und Ermutigung von diesen Leuten. In der Tat erzählte mir eine Teilnehmerin, daß ihr Vater ihr angeboten hatte, sie [die Postkarten] für sie abzuschicken. Dagegen war es bei denen, die bei dieser Aufgabe weniger erfolgreich waren, in erhöhtem Maße wahrscheinlich, daß sie ihrer Familie und ihren Freunden nichts gesagt hatten, oder daß sie sogar für ihre Beteiligung ausgelacht wurden. Eine Folgerung ist, daß klinische posthypnotische Suggestionen womöglich erfolgreicher sind, wenn der Klient ermutigt wird, das suggerierte Verhalten in sein tägliches Leben zu integrieren.”

Es zeigt sich hier wieder einmal eindrücklich die Bedeutung motivationaler und sozialer Variabler für die Ausführung der PHS; dies steht im Gegensatz zur Annahme eines spezifischen Zwanges, der unabhängig von Bereitshcaft und Motivation der Hypnotisierten wirken würde.

Das Wesen der posthypnotischen Suggestion

Inzwischen dürfte klar geworden sein, daß die anfangs beschriebene, traditionelle Betrachtungsweise des posthypnotischen Verhaltens als “automatisch ablaufend” nicht haltbar ist. Zwar wird der eine oder andere gegen die beschriebenen Experimente einwenden wollen, daß die Probanden nicht “tief genug” hypnotisiert waren. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bei den genannten Experimenten wurde mit Probanden gearbeitet, die tief – oder gerade bei den besonders kritischen Experimenten – sogar “sehr tief” hypnotisiert waren.

Wir wollen das modernen, durch zahlreiche Versuche gestützte Bild der PHS in Form von Stichpunkten konkretisieren:

1. Die Ausführung der PHS setzt Bewußtsein  von der PHS selbst und der Situation voraus. Der Proband muß insbesondere erkennen, daß in der entsprechenden Situation eine posthypnotische Reaktion erwartet wird. (Diese Prozesse können auch unterbewusst ablaufen, was analog auch für die nachfolgenden Aussagen gilt.)

2. Die Reaktion auf die PHS setzt Absicht voraus. Sie “geschieht” nicht einfach, sondern hängt von Bereitschaft und Motivation des Subjekts ab.

3. Die Umsetzung der PHS ist im höchsten Maße von situativen und sozialen Variablen abhängig; sie stellt ein soziales, zielgerichtetes, motiviertes und intelligentes Verhalten dar. Die Präsentation eines festgelegten Triggers reicht für sich genommen mitnichten für die Auslösung von posthypnotischem Verhalten aus (und ist dafür eventuell auch nicht einmal notwendig). Vielmehr muß das Subjekt eine posthypnotische Reaktion als angemessen im Sinne der hypnotischen Rolle und des Experimentes erkennen und zu einer Antwort bereit sein. Entsprechend beeinflußt das Verhalten des Hypnotiseurs die Ausführung posthypnotischer Aufträge nicht nur während der Zeit der Hypnose, sondern auch danach, in der konkreten Test-Situation. Daraus folgt zugleich:

4. Die PHS wirkt nicht außerhalb des angemessenen Settings fort, es sei denn, es bestünde eine ganz besondere Motivation von Seiten des Subjekts oder es gäbe andere besondere Gründe (s.o.).

5. Die Inhalte der PHS sind keineswegs innerhalb der Psyche “isoliert”. Vielmehr interpretiert das Subjekt die PHS im Hinblick auf neue Informationen, die verständnisrelevant sind. (Siehe hierzu insbesondere den Versuch von Tobis und Kihlstrom.)

6. Die PHS ist nicht generell “effizient” in dem Sinne, daß sie keine oder fast keine Ressourcen der Aufmerksamkeit verbrauchte.

7. Die PHS wirkt keinesfalls unvermeidlich oder zwanghaft. Das teilweise entstehende subjektive Gefühl des Zwanges trügt hier.

Diese neuen Erkenntnisse über die posthypnotische Suggestion  nehmen diesem Phänomen nach meiner Überzeugung  nicht von seiner Faszination. Heap und Aravind bemerken hierzu: “Von dieser Art von Experimenten [wie dem von Fisher] wird manchmal gesagt, daß sie Hypnose ‘entlarve’. Dies ist nicht der Fall. Im Gegenteil zeigen sie, daß Hypnose ein faszinierend reiches und subtiles Zusammenwirken einer Palette von kognitiven und sozialpsychologischen Prozessen beinhaltet.”

Die eigentliche Faszination der PHS besteht nicht darin, daß ein Mensch wie eine Maschine reagiert, sondern in seiner Fähigkeit zur Dissoziation: Daß er auf unterbewußter Ebene denkt und handelt, ohne entsprechendes Bewußtsein davon zu besitzen. Persönlich  bin ich auch überzeugt, daß hypnotische Phänomene dieser Art für die kognitive Psychologie und ihre Erklärungsversuche der menschlichen Psyche von erheblicher Bedeutung sind respektive sein werden.

Natürlich stellt angesichts der Erkenntnisse über die PHS sich die Frage, ob hypnotisches Verhalten nicht womöglich generell sinnvoll, zielgerichtet, intelligent und sozial ist, auch außerhalb der Posthypnose, während der eigentlichen Hypnose. Das ist in der Tat auch in hohem Maße der Fall, wie sich bei genauem Hinsehen offenbart, was hier jedoch nicht vertieft werden kann.

Die PHS außerhalb des adäquaten Settings

Wo eine normale Suggestion oder PHS außerhalb des Settings weiterhin wirkt, dort geschieht dies im Dienste des Experimentes, wie etwa in den oben beschriebenen Versuchen mit den Postkarten, oder aufgrund einer besonderen Motivation, etwa in der Therapie. Selbst wenn einen (post)hypnotische Suggestion nicht formell gecancelt wird, wirkt sie nicht außerhalb des adäquaten Kontextes weiter, auch wenn die Grenzen dieses Settings manchmal weit sein können, wie beispielsweise das beschriebene Experiment von Orne et al. zeigt.

Es gibt allerdings auch einige Ausnahmen vom Gesagten , wenn auch sehr selten. In solchen Fällen reagieren Personen ohne ersichtlichen Grund selbst da, wo keinerlei Verbindung zum hypnotischen Kontext besteht. Ein Beispiel wäre ein Fall aus der Hypnoseforschung, bei dem ein Lehrer sich auf Suggestion hin nicht an eine Zahl erinnern konnte. Diese Suggestion wirkte auch im Alltag bis zur nächsten Sitzung weiter, was zu Problemen führte, da er Mathematiklehrer war.

In einigen Fällen scheint eine solche Reaktion auf einem Mißverständnis zu beruhen. Die Probanden nehmen fälschlicherweise etwa an, daß das Fortwirken einer Suggestion im Alltag getestet werden soll.

Diese Gefahr erscheint übrigens gerade bei der Showhypnose am Geringsten. So schreibt Michael Heap in seinem Essay über die angeblichen Gefahren der Bühnenhypnose (“The alleged Dangers of Satge Hypnosis”):

“Der Einfluß der Suggestion wird durch die expliziten und impliziten Anforderungen des Kontextes bestimmt; wenn diese Anforderungen nicht länger als geltend (“operative”) wahrgenommen werden, hört das Subjekt auf, zu reagieren. Beispielsweise endet die Antwort auf die posthypnotische Suggestion bei Experimenten mit hochsuggestiblen Subjekten, wenn es den Anschein hat, daß das Experiment zeitweise ausgesetzt wurde, oder wenn die Subjekte sich nicht länger für verpflichtet halten, in der vom Experimentator verlangten Weise zu reagieren, oder sogar, wenn auch nicht immer, sobald sie nicht länger unter seiner Beobachtung stehen (Fisher 1954, Spanos, Menary, Brett, Cross und Ahmed 1987).

Daher wird die Behauptung, daß die Teilnehmer einer Showhypnose durch eine nicht zurückgenommene Suggestion gefährdet werden, auf schwacher Grundlage aufgestellt. Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, daß wichtige beeinflussende Faktoren aufgehoben sind, sobald die Bühnyhhypnose-Show geendet hat, wie der Kontext und der Grund, auf die Suggestion zu reagieren.

Dies ist nicht der Fall etwa nach einer Sitzung in klinischer Hypnose, wenn für die Suggestion[...] der Bedarf besteht, im alltäglichen Leben weiterzuwirken; dies gilt auch im Fall eines wissenschaftlichen Experimentes zu den Effekten einer posthypnotischen Suggestion für das Verhalten des Subjekts im Alltag.”

Eine Rücknahme der Suggestionen sollte vorsichtshalber natürlich dennoch auch bei der Showhypnose stattfinden, s.u.

Neben der Gefahr des Mißverständnisses besteht etwa die Möglichkeit, daß manche Menschen mit zwanghaften Tendenzen nun auch zwanghaft auf eine nicht formell zurückgenommene Suggestion reagieren, zu Beispiel aufgrund des Gedankens, daß die Suggestion nicht ordentlich zurückgenommen wurde. Es existieren sogar Fälle, wo selbst eine explizit aufgehobene Suggestion später weiterhin wirksam war. Hilgard schildert uns ein entsprechendes Beispiel, und zwar im Zusammenhang mit einem zwanghaft strukturierten Mann, der während einer Hypnose-Sitzung nicht auf ein Item der SHSS:A /SHSS:B, ansprach, das die Halluzination einer Fliege beinhaltet. Er fühlte sich deshalb unwohl, und in der Nacht halluzinierte er dann für einige Minuten eine Fliege. Er wußte, daß das Insekt nicht wirklich existierte, erlebte das Geschehen jedoch als unwillkürlich ablaufend und außerhalb seiner Kontrolle stehend. Hier war also nicht eine “fehlende Rücknahme”, sondern offensichtlich die zwanghafte Persönlichkeitsstruktur Ursache des Geschehens.

Einige sehr wenige Menschen scheinen außerdem die Hypnose zu nutzen, um einer für sie widrigen Lebenssituation zu “entfliehen”. In einem solchen Fall weiterhin trotz Dehypnose “in Trance” zu verbleiben, ist für sie eine Möglichkeit dazu: eventuell aber auch eine anhaltende Reaktion auf eine PHS. Auch die Möglichkeit einer unterbewußten Zweckreaktion, um die Aufmerksamkeit des Hypnotiseurs zu behalten, kann insbesondere bei historistischen (“hysterischen”) Personen nicht ausgeschlossen werden.

Bei einem Trigger mag es außerdem sein, daß er tatsächlich eine gewisse Automatisierung erreicht, so wie auch andere Formen des Verhaltens, die sich eingespielt haben und “automatisch” ablaufen können, wenn sie nicht bewußt kontrolliert werden. (Man denke daran, wie jemand ohne weiter nachzudenken falsch abbiegt, weil er normalerweise immer diesen Weg nimmt.) Auch in solchen Fällen liegt allerdings kein objektiver und unausweichlicher Zwang vor.

Natürlich kann es auch andere Möglichkeiten geben warum manche Menschen in seltenen Fällen ungewöhnlich auf eine PHS reagieren, denn das Verhalten des Menschen ist vielschichtig und oft nicht einfach erklärbar; das gilt für hypnotisches wie für nicht-hypnotisches Verhalten.

Aus diesen Gründen sollte natürlich trotz allem eine Rücknahme der gegebenen Suggestionen stattfinden. Trotzdem sollte klar sein, daß die PHS keine externe Kraft und erst recht kein “magischer Bann” ist, dem das Subjekt hilflos ausgeliefert ist und der solange wirkt, bis der  “Zauberer” Hypnotiseur ihn wieder aufhebt.

Die PHS im klinischen Kontext

Wir hatten weiter oben erwähnt, daß eine per PHS gegebene Aufforderung, dem Experimentator jeden Tag eine Postkarte zu senden, nach übereinstimmender Datenlage nicht oder sogar weniger erfolgreich ist als eine entsprechende normale Bitte. Hieraus läßt sich jedoch nicht ableiten, daß die PHS im therapeutischen Kontext ineffektiv wäre. Die zitierten Experimente zeigen nur, daß eine PHS keinen besonderen Zwang ausübt, daß sie ohne entsprechende Motivation also nicht wirksam ist. Wenn jedoch eine entsprechende Motivation besteht, so mag die PHS durchaus eine besondere Effektivität besitzen, insbesondere, wenn sie persönliche Ziele und Motivationen berührt.

Es mag beispielsweise außerdem auch der Fall sein, daß das Gefühl der Leichtigkeit beim Ausführen einer PHS einen positiven Effekt hat. Oftmals erleben Probanden ihr posthypnotisches Verhalten als mühelos. Dies wiederum kann womöglich ein Reagieren erleichtern (was wiederum die Motivation stärken kann). Entsprechend vermutet Barnier, daß dieser Effekt in der klinischen Praxis von Nutzen sein kann. (Siehe dazu Link unten.)

Es kommt noch etwas hinzu: Wie ich am Anfang des Artikels erwähnt hatte, sind posthypnotische Suggestionen im engen Sinne nur solche, die ein bestimmtes “Tun” zu einem bestimmten Zeitpunkt anstoßen sollen. Die Reaktion auf die PHS geht offenbar mit Dissoziation einher, indem der Proband nicht weiß, was er tut, warum er es tut, oder indem er zumindest sein Tun als unwillkürlich empfindet.

Allgemeine Affirmationen derart hingegen, daß es jemandem zunehmend besser geht, beinhalten hingegen kein “Tun” und kein hypnotisches Phänomen wie etwa der Dissoziation, sie zielen auf die generelle Veränderung von Mustern und Einstellungen ab. Aufgrund ihres unspezifischen Charakters kommt der Hypnoseforscher Michael Heap zu der Auffassung, daß es sich hier nicht wirklich  um posthypnotische Suggestionen im engeren Sinne handelt, und daß die Effektivität solcher Suggestionen eher vom Vertrauen in den Therapeuten und andern Parametern als von der hypnotischen Suggestibilität abhängt.

Die Tatsache, daß der Erfolg von Hypnotherapie – auch Suggestivtherapie – im Allgemeinen nur eine geringe Korrelation zur hypnotischen Suggestibilität aufweist, scheint mir diese Annahme zu stützen.

Da viele, wenn auch nicht alle  Suggestionen im klinischen Setting in diese letzte Kategorie fallen, sind die beschriebenen Forschungsergebnisse zur PHS für die Klinik vermutlich auch nur bedingt von Relevanz.

Das klinische Setting und die Erfolge der dort gegebenen Suggestionen sind also ein Kapitel für sich. Es ist eine jedenfalls eine häufig gemacht Beobachtung, daß hypnotische, Wach- und Autosuggestioneb in Therapie und Coaching nicht selten eine frappierende Wirkung entfalten können, wenn natürlich auch reine Suggestivtherapie nicht zur Beseitigung jedes Problems ausreicht.

Ausblick: Die posthypnotische Hemmung

Mit “posthypnotischer Hemmung” meine ich hier insbesondere die (suggerierte) posthypnotische Amnesie (PHA), also das suggerierte Vergessen von Inhalten der Hypnose, und das “hypnotische Siegel”. Letzteres ist die Wirkung einer Art von Suggestionen wie der, daß nur ein bestimmter Hypnotiseur – gewöhnlich der, der das Siegel setzt – künftig einen bestimmten Probanden noch hypnotisieren könne.

Wir können diese Thematik hier nur anreißen, da sie aber auch unter “posthypnotisches Verhalten” im weiteren Sinne fällt, wollen wir das Thema wenigstens kurz anschneiden.

Es hat sich gezeigt, daß die PHA offenbar durchaus unter der Kontrolle des Subjekts steht, wenn auch auf unterbewußter Ebne.

Die Hälfte derjenigen, die Amnesie zu erleben angibt, erklärt, daß sie sich erinnern könnte, wenn sie wollte. Solche Leute können die Amnesie sehr einfach brechen.

Die andere Hälfte gibt an, daß sie sich wirklich nicht erinnern kann, auch nicht, wenn sie es will. Es wurde bei entsprechenden Versuchen ein starker Druck auf solche Subjekte ausgeübt, die PHA zu brechen, insbesondere durch Coe und seine Mitarbeiter. Beispielsweise suggerierten Coe und Sluis  den Probanden Amnesie für eine gesamte Sitzung, forderten sie dann nach der Hypnose jedoch auf, sich zu erinnern. Denjenigen, die das nicht konnten, sagten sie, sie sollten “ehrlich” sein, was die implizite Aufforderung beinhaltet, sich zu erinnern. Es wurde vermittelt, daß sie können, wenn sie wollen.

Im zweiten Schritt wurden Lügendetektoren bei der Befragung nach den amnestischen Inhalten benutzt, und als drittes wurde ihnen eine Video-Aufnahme der Sitzung, die sie vergessen hatten, gezeigt. Alle Subjekte bis auf eines brachen letztlich die Amnesie, was deutlich dafür spricht, daß das Beibehalten und Brechen der Amnesie (unterbewußt) durch die Subjekte selbst gesteuert wird, um den Anforderungen des Experiments zu genügen: Wenn gefordert ist, sich nicht zu erinnern, dann erinnern sich die Hypnotisanden nicht, wenn gefordert ist, sich zu erinnern, so erinnern sie sich.

Verschiedene andere Experimente bestätigen diese Sichtweise; indem Probanden beispielsweise in einem Versuch (von Spanos, Radtke und Bertrand) informiert wurden, daß sie einen “verborgenen Beobachter” (“hidden observer”) besitzen, der sich an vergessene Inhalte erinnere und sie artikulieren könne, konnte sogar schnell und einfach bei 100% der Probanden die Amnesie überwunden werden, auch bei sehr suggestiblen.

Übrigens weisen neurophysiologische Untersuchungen darauf hin, daß das Beibehalten der Amnesie in der Testsituation keineswegs ein passives Geschehen darstellt, sondern eine aktive Anstrengung des Subjekts voraussetzt. So werden in diesem Zusammenhang frontale Teile des Gehirns erhöht aktiv, die mit Kontrolle, Willen und Planung assoziiert sind.

Dieses Thema kann hier leider wie gesagt nicht weiter vertieft werden; es deutet jedoch sehr viel darauf hin, daß  das Beibehalten oder Auflösen der posthypnotischen Amnesie  ebenso ein zielgerichtetes und sozial motiviertes Verhalten darstellt wie die Reaktion auf die PHS.

Was das hypnotische Siegel angeht, so glaube ich nicht, daß systematische wissenschaftliche Studien dazu bestehen, doch erschließt sich aus den bisherigen Ausführungen, daß es sich auch hier ebenfalls um eine motivierte und durch das Subjekt kontrollierte Reaktion handelt.

Im Grunde kann ein Siegel ohne Motivation des Subjektes nicht wirken, und deshalb wird es auch nur dann außerhalb des Rahmens, in dem es “gesetzt” wurde,  fortbestehen, wenn der Proband dies will, etwa weil er sich auf irgendeiner Ebene dem “Geber” des Siegels verpflichtet fühlt. Es wäre höchstens noch denkbar, daß ein Subjekt so stark an die blockierende Kraft der “Versiegelung” glaubt, daß dieser Glaube dann tatsächlich eine hemmende Wirkung entfaltet.

Entsprechend ist auch allgemein akzeptiert, daß solche “Siegel” nicht funktionieren und sehr leicht zu “brechen” sind. Dazu existieren die verschiedensten Methoden; die Gemeinsamkeit scheint darin zu bestehen, beim Probanden den falschen Glauben an die Wirksamkeit des Siegels zu beseitigen.

Nichtsdestotrotz stellt natürlich der Versuch, ein solches dauerhaft wirksames “Siegel” zu schaffen, einen törichten Versuch dar, in die Freiheit eines anderen einzugreifen und ist ethisch abzulehnen.

Sollte übrigens jemand “vollgeladen” sein mit posthypnotischen Suggestionen, die durch eine Amnesie und zahlreiche Siegel “geschützt” sind, so sollte eine pathologische Ursache im Sinne einer dissoziativen oder gar psychotischen Störungen in Betracht gezogen und die entsprechende Person im Regelfall an einen Psychiater oder Psychologen überwiesen  werden, am besten an einen mit Hypnoseerfahrung. (Vergleiche hierzu meinen Artikel zum Thema “Hypnose-Verbrechen” , s.u.)

Experimentelle Artefakte

Betrachten Sie nun bitte dieses Geschehen: Ein Hypnotiseur fragt eine bestimmte Person, ob sie jemals hypnotisiert worden sei und bereit sei, sich nun hypnotisieren zu lassen. Die entsprechende Person ist sich sicher, daß sie noch nie hypnotisiert wurde. Sie ist zur Hypnose bereit und versucht, sich hypnotisieren zu lassen, aber jeder Versuch scheitert.

Ein anderer Hypnotiseur tritt hinzu. Er schnippt nur mit den Fingern, und die scheinbar “unhypnotisierbare” Person befindet sich in “tiefster Trance”. Was ist geschehen?

Dieses Subjekt war bereits zuvor vom zweiten Hypnotiseur sehr erfolgreich hypnotisiert worden, und es war ihr ein posthypnotischer Reinduktions-Trigger suggeriert worden. Zudem war ihr ein Siegel gegen andere Hypnotiseure  “gesetzt” worden, und das ganze wurde noch mit einer schönen Amnesie abgerundet.

Im Verbund mit der vermeintlichen Möglichkeit, direkt oder mittels hypnotisch induzierter Täuschungen ein Subjekt zu absolut allem bringen zu können, entstehen durch solche Demonstrationen bei manchen Leuten Allmachtsphantasien, bei anderen Angst vor dem scheinbar unendlichen Mißbrauchspotential der Hypnose.

Der beschriebene Versuch ist interessant und auf seine Weise faszinierend, sofern gewisse ethische Regeln beachtet werden. Was er aber machtvoll demonstriert ist nicht die vermeintliche Tatsache, daß das Subjekt sich in eine hilflose Maschine verwandelt; vielmehr beleuchtet er die kognitiven Fähigkeiten, die der motivierte Proband einsetzt, insbesondere seine Dissoziationsfähigkeit, in der Absicht,  den Anforderungen des Experimentators und der Situation nachzukommen.

Es lassen sich dann natürlich auch entsprechende Experimente durchführen, bei denen ein Sigel zu brechen oder nicht zu brechen ist,  je nachdem, was dem Subjekt als “richtige” Reaktionsweise vermittelt wird.

Das zu beobachtende Verhalten bei solchen Versuchen ist ein experimentelles Artefakt, eine Frucht der besonderen Bedingungen des Experimentes; es stellt den (unterbewußten) Versuch des Subjekts dar, sich so zu verhalten wie es glaubt, daß es für ein gutes hypnotisches Subjekt “angemessen” ist.  Diese Versuche funktionieren in der besonderen künstlichen Situation der Hypnose, jedoch sicherlich nicht außerhalb des zugehörigen hypnotischen Settings und spiegeln nicht “die Realität” wider.

Daß entsprechende Experimente  selbst dann Erfolg haben können, wenn sie ziemlich informell durchgeführt werden, verwundert niemanden, der sich vor Augen hält, wie hervorragend Hypnotisierte darin sind, selbst sehr versteckte und indirekte Experimente zu durchschauen (s.o., zum Beispiel den Versuch von Orne et al.).

Es wäre also grundlegend verfehlt, aus derartigen Versuchen weitreichende Schlußfolgerungen für das “reale Leben” zu ziehen.

Zum Schluß

Man liest immer wieder einmal Fragen in der Art, wie sich denn jemand beispielsweise von posthypnotischen Suggestionen “befreien” könne, die ihm gegeben wurden; oftmals liegt ein psychotischer Hintergrund nahe.  Solche Fragen und die ihnen zugrundeliegenden Auffassungen und Überlegungen basieren auf jenem veralteten Bild der PHS, nach dem diese so etwas wie eine “externe Kraft” ist, die ein Hypnotiseur “im Unterbewußtsein” quasi “installiert”, wo sie sich dann in so etwas wie ein eigenmächtig wirksames psychisches Implantat verwandelt. Aus den Darlegungen dieses Artikels dürfte klar sein, daß diese Auffassung der PHS inadäquat ist. Die PHS ist nicht so etwas wie ein Programmierbefehl oder gar ein magischer Fluch, der machtvoll auf das Subjekt einwirkt, sondern sie ist eine Idee, deren Ausführung die Motivation und Bereitschaft des Subjekts voraussetzt, so wie dies bei jeder anderen Idee der Fall ist. Die Tatsache, daß die PHS außerhalb der bewußten Erinnerung liegen oder als zwanghaft wirksam empfunden werden kann, steht zum gerade Gesagten wie oben dargelegt in keinen Widerspruch.

Was natürlich der Fall sein kann ist, daß jemand aufgrund von sozialem Druck, einem Gefühl der Verpflichtung gegenüber dem Hypnotiseur, psychischer Abhängigkeit in einer Beziehung zu ihm, starker Identifikation mit der “hypnotischen Rolle” (siehe “hypnotische Rolle [...]“) oder aus ähnlichen Gründen eine PHS ausführt, die er “eigentlich” nicht ausführen will. Doch hat dies dann nichts mit einem speziellen hypnotischen Zwang zu tun, sondern liegt an sozialpsychologischen Faktoren, wie sie (in Grün) auch in nicht-hypnotischen Kontexten vorkommen können (und manchmal auch machtvoll wirksam werden). Des Weiteren wäre noch denkbar, daß eine PHS in einigen Fällen wie ein Nocebo (das Gegenteil von Placebo) allein über die Erwartung des Hypnotisierten wirkt. Dies ginge eventuell dann, wenn eine PHS allgemeiner Natur wäre und beispielsweise “Unwohlsein” beinhalten würde, kaum aber in Fällen, in denen eine gezielte Handlung des Subjekts Gegenstand der PHS wäre. Es existieren Berichte aus anderen Kulturen (“Voodoo-Tod”), in denen womöglich allein die feste Erwartung eines Menschen massiven negativen Einfluß zeitigen kann. In solchen Fällen liegt jedoch ein ungemein starker, seit der Kindheit verankerter kultureller Glaube etwa an die Macht von  bestimmten “Magiern” vor. Der Betreffende identifiziert sich ausgesprochen intensiv mit der sozialen Rolle des “Voodoo-Opfers”.  Für unseren Kulturkreis sind eine analoge derart tiefwurzelnde Überzeugung von der Allmacht des Hypnotiseurs und eine so absolute Identifikation mit einer entsprechenden “hypnotischen Rolle” jedoch nicht anzunehmen.

Das traditionelle Verständnis sieht die PHS als externe Kraft an, mit der ein maschinenhaftes Unterbewußtsein quasi “programmiert” wird, welches die PHS dann sozusagen auch “maschinenhaft” ausführt; dieses Modell ist durch ein neues Paradigma zu ersetzen, bei dem der Hypnotisierte bei Ausführung einer PHS in seiner Eigenschaft als Person handelt, und zwar willentlich und zielgerichtet, und gemäß seiner intelligenten Interpretation der Situation und in Abhängigkeit von seiner Motivation. Die Revolution im Verständnis der PHS, die durch die Forschungen der Hypnosewissenschaft notwendig geworden ist, kann ein Schritt sein, um ein mechanistisches Bild des Hypnotisierten und seines (Re)agierens, wie es heute noch weit verbreitet ist, durch ein personales zu ersetzen.

Der Hypnoseforscher Robert White schrieb im Jahre 1941:

“Hypnotisches Verhalten ist ein sinnvolles, zielgerichtetes Streben, dessen allgemeinster Zweck es ist, sich wie eine hypnotisierte Person zu verhalten, und zwar so wie dies kontinuierlich durch den Hypnotiseur definiert und vom Subjekt verstanden wird.”

In der Öffentlichkeit und bei vielen Hypnotiseuren besteht jedoch ein ganz anderes Bild: Hypnotisches Verhalten wird als automatisches und reflexhaftes Reagieren aufgefaßt, ohne Sinn und Zweck.

Mit diesem Artikel über die posthypnotische Suggestion möchte ich nicht zuletzt zu der Erkenntnis beitragen, daß der Hypnotisierte keineswegs ein “etwas” ist, mit dem irgendwas passiv “geschieht”;  daß er auch nicht passiv “programmiert” wird, um dann wie ein Automat zu “funktionieren”; sondern daß wir es bei der hypnotisierten Person mit einem geistigen Subjekt zu tun haben, und bei seinem Tun mit sinnvollem und kreativem Handeln.

Literatur

Im Folgenden verweise ich auf einige Texte, die teils auch online sind und soweit von mir verlinkt werden. (Vorerst) mögen einige Hinweise genügen. Besonders sei auf eine Arbeit von tobis und kihlstrom und das dortige Literaturverzeichnis verwiesen:

- Tobis, I.P.  Kihlstrom, J.F. (2010) “Allocation of attentional resources in posthypnotic suggestion.”  The Intenational kournal of Clinical and Experimental Hypnosis 2010 Oct;58(4):367-82. (Der Text ist auch online: Einfach anklicken und etwas nach unten scrollen.)

http://bscw.rediris.es/pub/bscw.cgi/d4420474/Tobis-Allocation_attentional_resources_posthypnotic_suggestion.pdf

Ein relativ umfassender, aber ziemlich trockener Text ist hier nachzulesen:

Damaser, E., Whitehouse, W.G., Orne, M.T., Orne, E.C., & Dinges, D.F. Behavioral persistence in carrying out a posthypnotic suggestion beyond the hypnotic context: A consideration of the role of perceived demand characteristics. International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis, 2010, 58, 1-20.

Einige weitere wichtige Artikel von Orne und Mitarbeitern zur PHS sind frei zugänglich auf seiner “in memoriam”-Seite:

http://www.sas.upenn.edu/psych/history/orne/  (Man beachte aber, daß einige Ergebnisse aufgrund neuer Erkenntnisse heutzutage anders intepretiert werden; siehe oben.)

Zum Thema “Hypnose und Willen darf ich auch meinen leicht verständlichen Artikel hier und die dort empfohlene Literatur verweisen:

http://hypnoseverbrecheninfo.wordpress.com/2010/04/07/hypnose-verbrechen/

Zur “Rollenabhängkeit” von hypnotischem Verhalten, hypnotischem Zwang und zur Fähigkeit, posthypnotischem Amnesie zu durchbrechen, siehe insbesondere folgenden Übersichtsartikel und die dort erwähnte Literatur:

- Lynn, S.J. & ; Sivec, H. (1992)  The Hypnotizable Subject as Creative Problem Solving Agent. In: Fromm E. & Nash M.R. (Eds.) Contemporary Hypnosis Research”

Amanda Barniers Text für ein kurzes Referat über die PHS findet sich hier:

http://www.abc.net.au/science/slab/barnier/story.htm

Ein interessantes und thematisch relevantes Kapitel aus einem Buch von Heap und Aravind kann hier frei gelesen werden, es ist insbesondere von klinischem Interesse.

http://www.acumedic.com/books/bk3261.pdf

Der nachfolgende text von G. Schütz ist zwar leider hinsichtlich einiger Aspekte nicht auf dem neueren Stand, da wie ausgeführt die PHS keine “externe Kraft”, undkein “objektiver” Zwang besteht, ansonsten aber klinisch interessant. Der Text zeigt auch, daß “autoritär” formulierte konkrete posthypnotische Suggestionen problematisch sein können, besonders, wenn sie therapeutische Themen berühren, und nur mit Bedacht anzuwenden sind:

http://www.gerhard-schuetz.de/download/artikel/posthypnose.pdf

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